Bericht: Skitour Haute Route Teil 3
Von anderen Gästen hatten wir erfahren, dass es auf der Cabane des Vignettes (3160 m) kein Holz mehr gab. Dafür bekamen wir die Empfehlung, doch lieber das Refuge des Bouquetins (2980 m) anzusteuern, das ein perfekt ausgestattetes Biwak sei. Da brauchten wir nicht lange überredet zu werden, würde doch so auch die Königsetappe am folgenden Tag verkürzt werden. So ging es also mit dem ersten Morgenlicht in Richtung Pigne d´Arolla (3790 m). Doch zuvor musste der steile Anstieg hinauf zum Col de Tsijiore Nouve (3440 m) gemeistert werden. Im Zwischenstück war diese Hürde sehr steil und eisig. Ohne Harscheisen war diese Stelle eigentlich nicht machbar. Bemüht, eine brauchbare Spur für die nachfolgenden zu treten, bekam ich fast einen Anfall als von oben eine Gruppe kam, die sich nichts um die Aufstiegsspur scherte und diese einfach wegbügelte. Fassungslos von so viel Rücksichtslosigkeit blieb mir nur, eine paar Flüche hinterherzurufen. 15 Minuten später löste sich das Rätsel auf, denn erneut kam eine Gruppe – gottlob jetzt schon im flacheren Teil. Der Hubschrauber, der zuvor schon die morgendliche Stille gestört hatte, setzte ein paar Skifahrer auf der Schulter kurz unterhalb des Gipfels ab und manche fuhren eben runter, wo wir aufstiegen. Und da scheinbar nicht oder nur schlecht eingewiesen wurde, wussten sie es wohl nicht besser. Dazu waren noch Jugendliche in der Gruppe, die wahrscheinlich froh waren, überhaupt heil den Berg hinab zu kommen. Da wunderte es auch nicht mehr, dass manche keinen Rucksack hatten und somit auch keine Lawinenausrüstung. Sie werden wohl bei einem sehr „verantwortungsvollen“ Anbieter gebucht haben.
Fast flach ging es dann zum Hubschrauberlandeplatz am Col du Brenay (3639 m) und dann nochmal steigend zum Gipfel des Pigne d´Arolla auf 3790 Meter, dem höchsten Punkt unserer Tour. Wir wurden belohnt mit einer traumhaften Fernsicht. Und mit dem Matterhorn war auch unser Endziel wieder ein wenig näher gerückt. Staunend besahen wir uns auch den einen oder anderen Skibergsteiger im Rennanzug, die alle für die „Patrouille des Glaciers“ trainierten, die dieses Jahr Ende April wieder stattfinden würde. Nach dem obligatorischen Gipfelfoto ging es dann in einer Mischung aus Bruchharsch und schweren Schnee hinab zum Collon-Gletscher (3040 m).
Die Cabane des Vignettes ließen wir dabei links liegen und machten lieber eine kurze Brotzeit als es eh Zeit war, die Felle wieder aufzulegen. Mäßig steil aber lang ging es jetzt hinauf zum Col de l`Evêque (3382 m). Nun lag der Arolla-Gletscher vor uns und auf der anderen Seite war das Biwak bereits auszumachen. Im großen Linksbogen ging es über den Gletscher und am Ende hinauf zur Hütte, die im hellen Licht der Nachmittagssonne lag. Die Erbauer des Refuge hatten bei der Planung des Baus wirklich nachgedacht. Denn besser kann man so ein Biwak wohl nicht mehr bauen.
Obwohl die Hütte voll belegt war, herrschte kein Chaos und jeder fand seinen Platz zum Essen und Schlafen. Der Ofen heizte fast ein wenig zu gut und so blieb ein Fenster bis Mitternacht gekippt.
Infos Refuge des Bouquetins (2980 m)
Sechseckige Hütte, die 15 Lager sind kreisförmig angelegt, wobei das Fußteil immer ein wenig schmäler ist als der Kopfteil. Zwei weitere Schlafmöglichkeiten bieten die gepolsterten Sitzbänke. In der Mitte steht ein sehr guter Ofen. Es ist reichlich Geschirr vorhanden und unter der Decke sind zahlreiche Schnüre gespannt wo man Kleidung zum trocknen aufhängen kann. Im Nebengebäude ist ein großer Holzvorrat gelagert und dort befinden sich auch noch vier ungeheizte Notlager. Im Freien gibt es eine neue Toilette.
Kosten: 18 CHF
Am Morgen waren wir die ersten, die aus den Betten krochen. Kurz gefrühstückt, die Flaschen aufgefüllt und schon ging es los. Nach ein paar flachen Metern ging es hinauf zum Col du Mont Brulé (3213 m). Und dieser Aufstieg hatte es in sich. Über Nacht hatte der Wind aufgefrischt und wehte von oben über die Kante jede Menge Triebschnee. Das Vorwärtskommen war mehr als mühsam und so brauchten wir eine geschlagene Stunde für 200 Meter Strecke und ebenso viele Höhenmeter. Auf dem Kamm war dann auch die Grenze nach Italien – ich hatte schon leichtere Einreisen. Weiter ging es über den Glacier de Tsa de Tsan. Während bisher alle Gletscher unter einer dicken Schneedecke begraben waren, hatte hier der Wind volle Arbeit geleistet. Folglich war uns die Sache ein wenig zu heikel und so kamen bis zum Col de Valpelline (3557 m) die Seile zum Einsatz. Von hier hätte man auch noch auf den Tête Blanche (3710 m) gehen können, doch die Meute hatte bereits Röstiduft gewittert und keine Lust mehr auf einen weiteren Gipfel.
Doch zunächst lag das Matterhorn mit all seiner Pracht genau vor unserer Nase. Nach einer ausgiebigen Fotosession suchten wir uns einen Weg um die gewaltigen Spalten im Stockji Gletscher, der bald darauf in den Zmutt Gletscher überging. An der Schönbielhütte fuhren wir entgegen der Empfehlungen im Führer vorbei. Der rät nämlich eine morgendliche Abfahrt nach Zermatt. Aber wie schon erwähnt, die Meute witterte Blut Rösti. Entlang des Zmuttbachs ging es nun in Richtung Zermatt. Nach ein paar Schiebestücken wurde es wieder steiler und auf einer verschneiten Straße ging es dann rasant hinab. Während die anderen die Auffahrt zur Skipiste sahen und benutzten, fuhren André und ich weiter auf der Straße. Plötzlich eine Rechtskurve und direkt danach ein Tunnel. Ohne eine Chance zu bremsen ging es hinein und das Geräusch von Ski auf blanken Teer war alles andere als schön. Erstaunlich aber, wie weit man ohne Schnee fahren kann, wenn man nur genug Schwung hat (siehe Foto).
Erstaunlicherweise war der Belag nicht mal so schlimm anzusehen. Schnell war der Schreck aber vergessen, denn nach einem halben Kilometer kamen wir nach Zmutt, wo wir das erste Wirtshaus ansteuerte. Die Schicki-Micki-Gesellschaft auf der Terrasse begutachtete uns interessiert. Ob es an unserer Ausrüstung lag oder an dem Umstand, dass wir sechs Tage nicht geduscht hatten, blieb leider ungeklärt. Einig waren wir uns aber, dass das Bier sagenhaft schmeckte. Auf der Piste ging es dann hinab nach Zermatt, wo wir einen regelrechten Kulturschock erlebten. Welch Unterschied zu Chamonix. Noch schnell ein paar Erinnerungsfotos geschossen und dann ging es schon mit dem Zug für 70 CHF zurück nach La Châble.
Beim Abendessen in Bourg Saint Pierre resümierten wir nochmal und waren uns einig, dass wir eine traumhafte Woche erleben durften, die uns ewig in Erinnerung bleiben würde. Und auch wenn wir nicht den ursprünglichen Plan der klassischen Haute Route realisieren konnten, so war die Verbier-Variante sicherlich ebenbürtig. Und außerdem braucht man ja neue Ziele und einen guten Grund um zurückzukommen.