Bericht: Skitourenumrundung Meije – Teil 2
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Bedingt durch unsere Planänderung wollten wir heute nur die 1300 Höhenmeter zum bewirtschafteten Refuge des Écrins auf 3170 Meter aufsteigen, dort die Nacht verbringen und tags darauf dann auf dem Dôme de Neige. Wir starteten wieder recht früh am Morgen und erreichten entlang des Sommerwegs bald die ersten Serpentinen. Nachdem wir die ersten Höhenmeter hinter uns gelassen hatten, war eine kleine Kletterstelle im 2er Schwierigkeitsgrad zu bewältigen, die mit den Ski auf dem Rücken durchaus den Körper ins Schwitzen brachte. Danach folgte ein Flachstück auf dem uns jede Menge wenig gesprächige Skifahrer in zwei oder drei Gruppen entgegenkamen. Noch ein paar Meter weiter lag nun der Gletscherbruch des Glacier Blanc direkt vor uns.
Rechts davon entdeckten wir das Refuge Glacier Blanc (2542 m), das unser erstes Zwischenziel für den Tag sein sollte. Der Aufstieg erfolgte in einem weiten und wenig steilen Bogen von rechts. Lediglich kurz vor der Hütte steilte das Gelände in einer engen Rinne stark an. Im Winterraum des Refuge war die letzten Tage wohl niemand, das Gebäude unter tiefem Schnee versteckt. Nach einer Brotzeit bewältigten wir die letzten Meter hinauf zum Glacier Blanc, wo das Gelände nun deutlich flacher wurde und wir so nun den Blick auf Dôme des Neige und Barre de Écrins genießen konnten. Das Refuge des Écrins (3170 m) trohnt rund 100 Meter über dem Gletscherbecken und der steile Anstieg über triebschneeüberdeckten Bruchharsch forderte uns nochmal ordentlich.
Doch dann war die Hütte erreicht und ein Bier und ein Omlett entlohnten uns für die Mühen des Tages. Preislich liegt die Hütte nicht gerade im unteren Segment, die Getränke mit 0,33l liegen bei 4 Euro, die Halbe Bier bei 6 Euro. 1,5 Liter Wasser ebenfalls 6 Euro. Während des Essens telefonierte der Hüttenwirt unüberhörbar und nun wurde uns klar, warum tags zuvor und heute am Morgen Hubschrauber unterwegs waren. Bei einem Lawinenabgang wenig überhalb der Hütte am Col Pic Emile wurden am Tag zuvor neun Tourengeher plus zwei Bergführer aus Österreich erwischt und drei Menschen starben dabei (siehe auch hier). Hatten wir beim Blick aus dem Fenster auf den Dôme de Neige schon Zweifel an unserem anstehenden Gipfelsturm, so schockte uns diese Nachricht zusätzlich. Nach langen Beratungen untereinander und mit dem Hüttenwirt entschlossen wir uns, den Gipfel auszulassen. Der Neuschnee vier Tage zuvor und der folgende relativ starke Wind hatte sicher für ordentlich Triebschnee und zu viel Gefahrenpotential gesorgt.
Stattdessen wollten wir das Col Pic Emile von Süden überqueren und dann nach Norden abfahren um dann zum Refuge Adèle Planchard aufzusteigen. Als Unsicherheit blieb aber offen, ob wir das Col würden überqueren können. Der Wirt erzählte von einer Abrisskante, wusste aber nicht, wie diese beschaffen war.
Nach einem dürftigen französischem Frühstück (zum Glück hatte ich noch eine Portion Müsli dabei) starteten wir mit dem ersten Tageslicht hinauf zum Col Pic Emile. Das Plateau kurz davor erreichten wir nach einer Stunde. Vor uns lag das Lawinenfeld und schräg über uns die gewaltige Abrisskante. Fabi und Andrè gingen voraus und checkten vor Ort die Lage, ob wir überhaupt nach oben kommen würden. Nach 45 Minuten, in denen die beiden vergeblich versuchten einen Standplatz zu bauen, war klar, dass die bis zu vier Meter starke Abrisskante von uns an diesem Tag nicht zu bewältigen war. Der Schnee zu locker um einen stabilen Sicherungsstand zu bauen, der Fels zu brüchig um Bandschlingen legen zu können und die Schneewand zu instabil um sie solo mit Eisgeräten zu gehen. Also Abbruch, zurück zum Plateau und Abfahrt zur Hütte. Wir erklärten dem Wirt noch kurz die Lage und zeigten ihm Fotos von der Situation.
Danach ging es den Weg wieder hinunter, den wir tags zuvor aufgestiegen waren. Zwar gab es kaum Pulverschnee noch anständigen Firn, doch hatten wir an vielen Stellen trotzdem ordentlich Spaß und erreichten schließlich ordentlich durchgeschwitzt die Straße ein Stück unterhalb des Refuge Cézanne. Per Autostop fuhren Andre und Elmar nun zurück nach La Grave um den Bus zu holen, während der Rest der Meute rund vier Stunden in der Sonne wartete.
Fazit: Auch wenn wir die Runde aufgrund der Gegebenheiten nicht beenden konnten und letztendlich auch auf keinem Gipfel waren, so erlebten wir doch ein paar Tage, die uns lange in Erinnerung bleiben werden. Die Winterräume in Frankreich sind arg spartanisch eingerichtet. Ohne Ofen und Toilette ist es schon arg „back to the roots“. Das Gelände war durchweg anspruchsvoll.
Als Planungsgrundlage hatten wir das Buch „Die schönsten Skidurchquerungen in den Alpen“. Wir waren uns alle einig, dass die Tourenbeschreibung nicht den notwendigen Respekt vor dem Gelände vermittelt. Es ist zu oft die Rede davon, dass man sich nicht von dem optischen Eindruck abschrecken lassen soll, so schlimm wäre es dann gar nicht. Auch wenn wir nicht wirklich in einer brenzlichen Situation waren, so war die Tour technisch doch weit anfordernder als beispielsweise die Haute Route im Vorjahr. Weniger erfahrene Tourengeher können hier unter Umständen ihr blaues Wunder erleben.
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