Mein Challenge Rock´n´Roth 2016
Es ist Sonntag 17.7.2016 6:15 Uhr – Race Day. Gerade komme ich von der Radbeutelabgabe zurück zum Campingbus und heule los. Die letzten Tage ließ mich der Challenge erstaunlich cool, alles nicht schlimmer als die Ultratrails im letzten Jahr. Ich muss nichts mehr beweisen, alles schon mal geschafft. Ich hab gut trainiert, das Wetter wird ideal – was soll schon sein? Jetzt Panikattacke. Ich schaff das nicht.
Freitag 15.7.: Nach 20 Jahren betrete ich zum ersten Mal wieder den heiligen Boden. Alles ist bestens dekoriert für den standesgemäßen Einlauf der rund 3500 Einzelathleten und 600 Staffeln. Im Zelt gibt es den Beutel mit Startunterlagen, Wechselbeutel und Gutschein fürs Teilnehmergeschenk. Die Mädels hinter der Theke sind super nett, haben sichtlich Freude an ihrem Job und verabschieden mich mit einem „Thomas, ich wünsch dir ein super Rennen“. Roth ist die Heimstadt des Triathlons, das wird hier jedem sofort bewusst. Wir sind hier willkommen, das merkt man an jeder Ecke. Weiter zur Läufermesse – wir sind regelrecht erschlagen vom riesigen Angebot. Carbonlaufräder zum Schnäppchenpreis, Einteiler in 1000 Designs und und und. Doch außer einem T-Shirt und einem neuen Cap für Sonntag konnte ich mich beherrschen.
Es wird Zeit, langsam einen Platz für die Nacht zu suchen. 300 Meter entfernt vom Schwimmstart gibt es dieses Jahr zum ersten Mal einen (übrigens kostenlosen) Campingplatz für die Athleten. Den wollen wir mit dem Camper ansteuern. Gerade als wir in Roth abfahren wollen, läuft uns noch Jürgen Steiner vor den Bus. Mister Marathon ist, wie jedes Jahr drei Tage hier und auch dieses Jahr springt er in einer Staffel ein. Er fährt in einer Spaßstaffel Rad und wird am Ende mit 5:01 eine halbe Stunde schneller sein als sein Laufpartner 🙂 Und natürlich dreht es sich wieder um Sabines Radpart in der Staffel. Die immer gleiche Diskussion um Radplatten und Cut-Off-Zeiten der letzten Tage, haben mich manchmal zwar fast verzweifeln lassen, doch auch gut abgelenkt. Als wir zum Campingplatz kommen, finden wir schnell ein angenehmes Plätzchen mit Dixi-Klos in Reichweite. Dach aufgestellt, Ohrstöpsel rein und Augen zu.
Samstag 16.7.: Am Morgen dann Generatorbrummen. Die englischen Nachbarn laden das Wohnmobil auf, waren aber wohl selbst vom Lärm genervt und sind einstweilen mit dem Rad davon. Gerade als ich mich selbst aufs Rad schwingen möchte, um in HIP zum Bäcker zu düsen, hupt es nebenan. Ein Bäckerwagen rollt an und versorgt die Camper mit frischen Backwaren. Wir kaufen ein und radeln rüber zum Rothsee, wo sich Elmar mit Kind und Kegel eingerichtet hat. An dieser Stelle nochmal ein herzliches Dankeschön für den Bus!
Wieder zurück versuche ich das Chaos aus Wechselbeutel, Schuhen, Klamotten und Riegel zu ordnen. Ein dutzend Mal gehe ich alles durch, was in die Beutel muss, entschließe mich dann aber, alles am Boden aufzulegen. Als dann Sabines Staffelschwimmer Matthias kommt, bewegen wir uns zur Radabgabe. Wir haben Glück, die Schlange an der Radkontrolle ist gerade nur 50 Meter lang und nach ein paar Minuten dürfen wir schon aufs Gelände. Nur den Helm ans Rad, der Rest soll in den Radbeutel. Der Laufbeutel verschwindet kurz danach im LKW. Wir treffen erneut Jürgen, dessen Rad nur 10 Meter entfernt von Sabines steht. Er erklärt sich bereit, bei ihr am Morgen nochmal nach der Luft zu sehen. Ich bin heilfroh, dass ich mich da nicht mehr kümmern muss. Wie komm ich vom Wechselzelt zum Rad? Ah, am ersten Baum links, drittletzte Reihe. Ich schlendere noch ein wenig durch den gigantischen Radpark und bin schier überwältigt, was da an Material am Start ist. In der Beziehung ist auf jeden Fall teilweise nicht viel Unterschied zwischen Profis und Agegrouper 🙂
Mit dem MTB gehts nun die 10 km nach Roth. Wettkampfbesprechung. Einleitende Worte von Felix und dann eine Belehrung über 30 min. Ernüchterung dann als es um das Radfahren ging. Benutzung von Handy, Kameras und GoPros ist streng verboten und wird mit einer sofortigen Disqualifikation bestraft. Eigentlich wollte ich die Fahrt am Solarer Berg mit meiner Virb filmen. Ich hatte extra eine Lenkerbrücke montiert, um die Kamera sicher zu montieren und einfach bedienen zu können. Sollte ich das Risiko eingehen? Die Virb war am Rad in Aeroposition nicht zu sehen und für die restliche Strecke hätte ich sie abklipsen können, um sie Trikot zu verstauen. Ich entschied mich, lieber kein Risiko einzugehen. Nach der Besprechung zurück nach HIP, Pizzeria und ab in die Koje.
Race Day: Der Wecker klingelt eigentlich um 4:45 Uhr. Ich werde vorher wach. Zum Frühstück zwei Scheiben Brot und ein Cliff-Bar. Kann man das Frühstück nennen? Der Radbeutel muss bis spätestens 6:15 abgelegt werden. Ich schnappe mir meine Kamera und gehe in Richtung Start. Klassische Musik durchdringt die vor Anspannung geschwängerte Luft. Der Weg runter zum Kanal ist nur 300 Meter, aber ich bin froh als ich endlich da bin. Weg mit dem Radbeutel, nochmal zum Rad und Halterung für die Virb abgeschraubt. Der Reifendruck passt. Ich gehe nochmal zum Schwimmstart. Dort steht schon Zuschauer an Zuschauer. Hunderte Augen schauen mich und die anderen respektvoll an. Ich fange an zu zittern. Zurück zum Camper, die Knie werden weich.
6:30 Uhr: Es geht wieder, tiefe Atemzüge, Ruhe finden. Es wird schon … ja klar wird es. Oder doch nicht? Was wenn … nein, ab jetzt in den Neo. Nach ein paar Meter. Shit, Trinkflasche vergessen, Sabine magst nochmal zurück…? Vielen Dank. An der Einfahrt zum Campingplatz steht Michl. Er ist quasi die Vorhut vom Supportteam, die kurze Ablenkung tut gut. Er hilft mir den Neo fertig anzuziehen, noch 20 min. Es wird Zeit. Verabschiedung. Nochmal Beutel abgeben. Diesmal am LKW, Klamotten und Duschsachen für hinterher.
7:00 Uhr: Böllerschuss, meine Startgruppe wird aufgerufen. Gegenüber pflügt gerade Frodo vorbei. Er hat schon 100 Meter Vorsprung, ein Raunen geht durch die Gruppe. Der nächste Böllerschuss und jetzt dürfen wir ins Wasser. Kalt? Ne geht! Genau 20 Grad angeblich. Ich zittere trotzdem. Brustschwimmend bewege ich mich in Richtung Startleine, kraulen geht nicht, ich brauch Luft. Ich frage ein wenig rum, wie so die Schwimmzeiten sind. Von 55 bis 90 min bekomme ich alles als Antwort und suche mir daher einen Platz direkt in der Mitte.
Bumm, Leine hoch und ab geht die Post. 10 Züge, 20 Züge, die Anspannung ist weg. 50 Züge, gut gehts. Aber warum krieg ich keine Schläge? Blick nach vorn, da sind ein paar richtig schnell. Blick nach hinten, huch sind da viel. Bin ich zu schnell? Der erste Wendepunkt ist schon in Sicht. Beim Schild für 1500 Meter blicke ich auf die Uhr. 28 und irgendwas – perfekt. Ein Schwimmer steigt gerade aus dem Wasser und drückt sich die Krämpfe aus den Beinen. Alle paar Meter Fotografen. Ein Hund steht am Rand und schaut mich ungläubig an. Als Rechtsatmer hat man hier echt gute Unterhaltung. Die Gedanken springen von einem zum anderen. Ich bin im Schwimm-Flow. Gibts sowas? Vor allem bei mir? Zweite Wende, der Ausstieg in Sicht. Was ist die beste Linie? Die letzten Meter. Da wo jetzt hunderte Zuschauer stehen, hatten wir vor ein paar Wochen noch geparkt, als wir die Radstecke abfuhren. Boden unter den Füßen – geschafft. Blick auf die Uhr: Genau 1:11. Juhu!
Wechselbeutel gepackt, rein ins Zelt. Himmel ist das voll. Ah, da ists gut. Trikot an, Weste an und auch Handschuhe an. Ärmlinge sicherheitshalber ins Trikot gestopft. Am Tag zuvor hatte ich noch gelernt, dass die dicken Laufsocken in den Radschuhen zu eng sind. Modisch kam das sehr gelegen, passten doch die gelben Radsocken wesentlich besser zum Outfit 🙂 Raus aus dem Zelt, wo ist mein Baum? Da ist das Rad. Boah, stehen da noch viele Räder aus meiner Startgruppe. Helm auf, Brille auf und los. Im Pulk die Rampe zur Straße hoch. „Super Tom“, ich höre Michl schreien, erfasse Sabine noch im Augenwinkel. Rüber über die Kanalbrücke, es geht bergab, Sachen richten, ruhig werden. Jetzt geht dein Rennen los.
Das Stück von Eckersmühlen bis Thalmässing lief noch nicht richtig rund. Der Puls noch zu weit oben und die vielen Gruppen zwangen mich zu einer unruhigen Fahrweise. Ich wollte Drafting unbedingt vermeiden, um ja keine Zeitstrafe aufgebrummt zu bekommen. Trotzdem war einfach zu wenig Platz, um wirklich sauber zu fahren. Ich muss aber sagen, dass die Kampfrichter einen guten Job machten und gut unterschieden, wer einfach im Pulk gefangen war und wer absichtlich am Hinterrad fahren wollte. Ab Thalmässing kam dann mein Lieblingsstück. Leicht fallend und Kette rechts. 10 Kilometer mit einem Schnitt jenseits der 42 km/h. Vor Greding gab es dann wie geplant einen Riegel. Schockmoment: Von hinten kommt eine Dreiergruppe. Fahrer 1 überholt und schert 5 Meter vor mir ein. Fahrer zwei überholt ebenfalls und als Fahrer drei neben mir ist, höre ich die Trillerpfeife neben mir. Blaue Karte – zum Glück nicht für mich, sondern für den Fahrer neben mir. Am Kalvarienberg dann Stau und viel überholen. Mit dem Pulsmesser ständig im Blick machte ich bestimmt 20 Plätze gut.
Dann hinunter nach Obermässing. Statt Highspeed entschied ich mich fürs Essen. 5 Minuten später dann Tropfen von oben. Nein, bitte nicht. Angesagt war Sonne und trocken. Die Straße wurde nass und wieder trocken. Zwei Kilometer weiter war der Spuk vorbei. Am Kränzleinsberg vor Hilpoltstein dann das erste richtige Stimmungsnest, quasi als Einstimmung auf den Solarer Berg, der gleich folgen sollte. Ortsschild HIP, Rechtskurve und der Wahnsinn begann. Oft hatte ich mir die Videos aus den Vorjahren angeschaut und auch von früher wusste ich, was jetzt kommt. Und trotzdem kann man nicht in Worte fassen, was hier los ist. Ziemlich bald landete ich im Stau, wobei ich immer wieder der Meinung bin, dass man so wenigstens nicht überzieht und auch Zeit zum Schauen hat. Helga und Wolfgang konnte ich entdecken. Sie schrien uns genauso den Berg hinauf, wie die tausenden anderen Zuschauer. Wolfgang erzählte mir später, er hätte viele mit Pipi in den Augen gesehen. Ich muss zugeben, mir gings nicht anders. Am Hügel vor Pierheim wartete dann die nächste Supportergruppe mit Conny, Simone, Christian und Sepp und schon ging es zurück nach HIP.
In Radrunde zwei lockerte sich das Feld deutlich und mein Rennen wurde gleichmäßiger. Allerdings kam jetzt Wind auf und gerade am Rückweg von Greding störte er doch ziemlich. In Hinblick auf den abschließenden Marathon nahm ich das Tempo nun ein wenig raus. In Eckersmühlen durfte ich nun nach Roth abbiegen und die letzte Welle nutze ich nochmal um zu essen. Überhaupt hatte ich heute bewusst viel gegessen und getrunken, einen Hungerast wollte ich unbedingt vermeiden. Mittlerweile hatte ich den einen oder anderen Staffelradfahrer überholt. Die Überrundung von Sabine blieb uns erspart. Sie war letztendlich doch deutlich schneller als befürchtet und ihre Zeit von 6:45 deutlich vor der Cut-off-Zeit. Fürs erste Rennradjahr eine Klasse Leistung.
Die letzten Meter nutze ich im Rollen noch für ein paar Dehnübungen und schon war die Wechselzone da. Bis ich schaute, wurde mir mein Rad abgenommen. Rum ums Eck, Wechselbeutel gepackt und rein ins Zelt. Socken und Schuhe gewechselt, Radtrikot aus, Lauftrikot an, Mütze auf. Unterstützt wurde ich dabei, genau wie alle Athleten, von einer Helferin. Ein Sani organisierte mir währenddessen noch ein Stück Pflaster, denn ich Depp hatte vergessen, die Brustwarzen zu tapen.
Die ersten Meter auf der Laufstrecke. Da steht Annemie und feuert mich an. Mir gehts gut, richtig gut. Ich muss mich bremsen. Am Rand steht Wolfgang. Er läuft ein paar Meter mit. Ich hatte alle Supporter im Vorfeld mit Gels und Riegel eingedeckt. Bei der angebotenen Dichte von Verpflegungsstellen und deren Ausstattung aber eine müsige Vorsichtsmaßnahme. Ich sag ihm, ich brauch nichts. Das Knie zwickt ein wenig vom Rad, doch das vergeht bald von selbst.
An der Lände hat sich das Tempo eingespielt, 5:10 min/km bisher. Ich blieb an den Verpflegungsstellen kurz stehen, um zu trinken, denn es ist warm. Weiter in Richtung Schwand. Früher ging es hier schier endlos in Richtung Norden, bis endlich der Wendepunkt erreicht war. Bei Kilometer acht nehme ich einen Becher Cola und merke, dass es jetzt erstmal gut ist mit trinken. Vor der Abzweigung nach Schwand geht es relativ steil bergab. Mein Bauch gluckert komisch. Mir wird langsam aber sicher übel.
Genau bei Kilometer 10 ist es soweit. Alles will wieder raus. Ich krümme mich am Straßenrand und ein Liter Gemisch aus Cola, Wasser, Gel und Riegel verlässt meinen Körper. Ich fange an zu zittern, muss mich setzen. Wars das? Nein, steh auf, du wirst heute finishen! Ich zwinge mich in die Höhe, beginne zu gehen und dann langsam zu joggen. Noch ist der Blutzuckerpiegel weit genug oben. Ich hab noch Kraft. Die erste Verpflegung in Schwand lasse ich aus, ich komme ja eh gleich wieder vorbei. TUC-Kekse helfen bestimmt. Ich esse den ersten, er tut dem Magen merklich gut. Der Mund ist staubtrocken, ich muss nachtrinken. Ein Schluck Cola und wieder kommt alles hoch. Ich rette mich aus der Ortschaft und am fast identischen Ort würge ich wieder. Also meine beiden verbliebenen Kekse eben ohne trinken rein. Fast zwei Kilometer brauche ich bis ich sie drin habe. Joggen, gehen, joggen, gehen. Kaum laufe ich, wird mir übel. Ich frage nach Bier. Ein Schluck alkoholfreies Erdinger geht. Wieder ein Keks. Ich wandere dahin. Ich zwinge mich wieder zu laufen. Warum mach ich den Mist nur? Ich beschließe, dass das meine letzte Langdistanz sein wird. Ich erinnere mich an 1996, da schwor ich mir das auch. Bei Kilometer 20 km zeigt die Uhr 2:01 – OMG. Ich rechne durch und wenigstens das Minimalziel unter 11h scheint noch machbar. An der Lände hält mir Simone Gels entgegen. Brauchst du was? Mir wird schon vom Gedanken übel. Das Stimmungsnest an der Lände wird von Erdinger gesponsert. Folglich gibt es Bier. Eine halben Becher bring ich runter und ich kann ihn behalten. Kraftmäßig bin ich am Ende. 50-100 kcal hab ich die letzten 10 km vielleicht aufgenommen.
Am nächsten VP versuche ich es mit einem Becher halb Cola, halb Bier. Ich gehe und verdaue. Ich laufe wieder, fast das ganze Stück zwischen den VPs. Ich versuche es ein wenig schneller und merke, wie ich ein anderes Bedürfnis bekomme. Hoffentlich kommt bald ein Dixi. Ich schnappe mir ein paar Schwämme und als sich die Tür hinter mir schließt, bleibt mir die Luft weg. Nur nicht lange hier drin bleiben. Draußen dann wieder Bier mit Cola und endlich weiter. Die Uhr piepst, 12 min für den letzten Kilometer. Ich schrei gleich. Auf dem Schild steht Kilometer 24. Direkt daneben steht das Schild für die Rückkehrer. Eine große 32 darauf. VIER Kilometer bis zur Wende. Ich rechne nochmal nach, ja wirklich vier Kilometer. In Haimpfarrich frage ich nach Bier, gibt aber keines. Die kurze Rampe nach der Abzweigung gehen alle. Am Ortsanfang von Eckersmühlen hat ein Anwohner seine Anlage an die Straße geschleppt. Whiskey in the jar mit gefühlt 120 Dezibel. Er tanzt vor der Box und hat wahrscheinlich den größten Spaß aller Zuschauer des Tages. Wir müssen alle lachen und ich merke, da ist ein Licht am Ende Tunnels.
An der Wende bei km 28 gibt es wieder Bier. Ich setze mich kurz, die Sonne brennt runter und ich bin überhitzt. Fast vergesse ich, dass ich noch die 30 Meter zur Wende muss. Ab jetzt gehts heim. Vor mir ein Läufer im DATEV-Shirt. Um mich abzulenken frage ich ihn, ob er wohl bei DATEV arbeitet. Ne, nur den Startplatz dort gewonnen und das Trikot dazu geschenkt bekommen. 2 km laufen wir gemeinsam. Auch er hat Magenprobleme. Wir jammern ein wenig zusammen und nehmen uns so das Leid gegenseitig ab. Auf der Kanalbrücke steht die Hardtseemafia und Don Indi peitscht allen ein. Es geht leicht bergab und ich weiß, dass sie fotografieren.
In Haimpfarrich wartet Support. Ich merke, es wird besser und verkünde, dass ich ankommen werde. Wieder gibts kein Bier am VP, doch ein Gast am Biertisch daneben bietet mir spontan sein Helles an. Ein Traum.
Am Kanal ist wieder Schatten. Mein Körper kühlt runter, mein Magen gibt Ruhe und ich werde wieder schneller. Unter 6 min/km immerhin. An der Lände brennt die Sonne wieder. Ein ganzer Becher Bier mit Cola geht gut runter und ich weiß, ich brauch für die letzten sechs Kilometer ins Ziel nichts mehr. Ich seh Tino vor mir. Fürs Foto reisse ich mich zusammen. Geht doch. Dagmar läuft ein paar Meter mit und bekommt eine Kurzfassung der letzten 30 km.
Doch ich muss weiter. Vier bis sechs Schwämme drücke ich nun an jeder Verpflegungsstelle über meinen Kopf aus und die kleine Rampe bei km 39 laufe ich locker hoch. Warum gehen die anderen alle? Mir gehts wieder gut. Noch drei Kilometer durch die Altstadt von Roth. Sabine, Helga, Roland, Wolfgang – alle sind da und machen mir nochmal Mut. Rüber über die Gleise, ich höre die Musik aus dem Stadion. Da ist der Zielkanal. Rum ums erste Eck. Ich klatsche Zuschauer ab, rum ums zweite Eck. Ich reisse die Arme nach oben. Ich bin im Ziel. Ich kanns kaum glauben. Nebensächlich, dass der Marathon nur in 4:30 war. Egal, dass da 11:15 als Endzeit steht. Geschafft ist geschafft.
Mit meiner Medaille gehe ich ins Versorgungszelt. Mir gehts gut. Warum tut mir nichts weh? Ich hol mir das nächste Bier, genieße die Massage, suche meinen Klamottenbeutel und bewege mich in Richtung Dusche. Leider gibt es kaum Wasser. Der Leitungsdruck reicht wohl nicht für die Anzahl der Duschcontainer. Am nächsten Tag entschuldigt sich Felix Walchshöfer für diesen Umstand und verspricht, dass es bis nächstes Jahr dickere Versorgungsleitungen geben wird. Ein dickes Hallo dann im Freien als ich die anderen treffe. Kaum sitze ich, müssen Matthias und Sabine los, um Christian in Empfang zu nehmen. In 3:00:38 wird er seinen Marathon beenden, was für ihn persönliche Bestzeit ist. Er ist topfit und hat den Staffelmarathon als letzten Test vor seinem Start in Regensburg genommen.
Als ich 1995 und 1996 hier am Start war, radelte ich nach dem Wettkampf zurück zum Rothsee. Was war ich froh, dass es jetzt einen Shuttlebus gibt. Bereits um 6:30 Uhr klingelte wieder der Wecker. Ab 10:00 Uhr sollte es die Startplätze für 2017 geben und wir wollten rechtzeitig vor Ort sein. So wackelten wir um 7:30 Uhr vom Auto in Richtung Festhalle. Ups, da stehen ja schon viel. Also ab nach hinten und einreihen. Aber wo ist das Ende der Schlange? 400 Meter mussten wir marschieren, bis wir unsere Campingstühle aufstellen konnten.
Ob es da noch genug Startplätze gibt? Gab es, denn kurz darauf kamen zwei Mädels und verteilten Wartenummern. Wer die hat, bekommt einen Startplatz. Der Rest war recht entspannt, denn drei Golfcars fuhren ständig hin und her und versorgten die Wartenden mit Kaffee, Getränken und belegeten Semmeln. Roth eben. Pünktlich zum Beginn der Siegerehrung hatten wir dann unsere Startplätze bezahlt und drängten uns ganz frech in die erste Reihe. So kam ich noch in den Genuß, ein paar Fotos von den Stars und den Agegroupers zu machen.
Fazit: Mal wieder hat sich die Weisheit bewahrheitet, dass man einen Ultra oder eine Langdistanz irgendwann mit dem Kopf läuft. Sicherlich wäre mehr möglich gewesen, die Beine waren gut und zum ersten Mal habe ich hinterher nicht den geringsten Muskelkater gehabt. Aber ernährungsmäßig muss ich mir etwas überlegen.
1996 war ich zuletzt am Start und schon damals war es für mich das Nonplusultra in Bezug auf Herzlichkeit, Stimmung und Organisation. Nichts kam da später mehr ran. Doch was sich seitdem noch getan hat, hätte ich nie für möglich gehalten. Roth spielt einfach in einer anderen Liga als der Rest.
tl,dr: Gehts einem noch so dreckig – wo ein Wille ist, ist auch eine Ziellinie. Roth ist endgeil und nach dem Challenge ist vor dem Challenge.
Eine Antwort
[…] Seit meinem ersten Triathlonstart in diesem Jahr beim Berlin-Triathlon habe ich mich auch gleich trifiziert und Träume von einem Start in Roth – wie cool es in Roth wirklich ist, beschreibt Tom. […]