Endlich Sub 11 – Challenge Almere
Ich muss ja ehrlich zugeben, dass für Roth eine Zeit unter 10:45 das Ziel war und es mir schon irgendwie stank, dass ich es ernährungsmäßig so verkackt hatte. In Regensburg lief es zwar schon besser, doch dort traute ich mich erst zu spät an die Gels. Die Zeit knapp über 11 Stunden störte mich zwar eigentlich nicht sonderlich, doch im Hinterkopf wusste ich, dass ich erneut hinter meinen Möglichkeiten geblieben war. So stellte ich mir die Frage, was mit der restlichen Saison noch so anzufangen wäre. Nach meinem Foto- und Supportwochenende in Zell am See wusste ich, dass noch mindestens eine Mitteldistanz fällig war. Kurz setzte sich noch der Ironman Mallorca im Kopf fest, doch verschiedene Gründe sprachen dagegen und außerdem findet an diesem Wochenende ja die Premiere des Arberlandultratrail statt. Also nochmal bei bei der Challenge Family und dem chinesischen Platzhirschen durchgeklickt, was noch so anstehen würde. IM 70.3 in Pula, IM 70.3 auf Rügen oder der Challenge Almere kamen da in Frage. Die Entscheidung fiel dann aufgrund der Startgebühren und der Möglichkeit, mal Amsterdam zu besuchen, recht schnell für Almere.
Zwei Tage vor dem Meldeschluß füllte ich dann den Bogen aus und suchte dazu gleich noch eine Unterkunft. Ein B&B in Hilversum, rund 25 km entfernt, bot sich an und war schnell gebucht. Die Anfahrt am Mittwoch war relativ entspannt und der befürchtete Verkehr rund um Köln gar nicht so schlimm. Das B&B Casa di Barbara für 320 Euro für zwei Personen und vier Nächte war dann echt der Hit. Zwei große Zimmer + Dusche + Webergrill im Garten + Hollandradstahlpanzer + WLAN waren echt mehr als erwartet. Donnerstag ging es dann mit dem Zug nach Amsterdam. Eine Stadt, die so gar nicht ins deutsche (und schon gar nicht ins bayerische) Bild einer europäischen Hauptstadt passt. Muss man auf jeden Fall mal gesehen haben. Eine superlockere und stressfreie Atmosphäre, ganz im Gegensatz zu unserer spießigen Landeshauptstadt.
Startunterlagen gab es leider erst am Tag vor dem Wettkampf. So ging es Freitag zum ersten Mal nach Almere. Vom Ablauf waren die ganzen Zeitfenster ein wenig umständlich. 13 Uhr Wettkampfbesprechung auf englisch, danach auf holländisch. Während ich mir in kurzen Sachen im runtergekühlten Konzertsaal den Hintern abfror, besichtigte Sabine einstweilen die Radstrecke. Ich wollte mir die 90 km nicht mehr antun und was sollte schon groß sein auf einer Radstrecke mit weniger als 100 Höhenmetern? Nach der Besprechung gab es die Startunterlagen und nun zeigte sich der große Vorteil von Almere. Während man in Roth und Regensburg logistisch als Athlet einiges zu leisten hat, geht man hier einfach wieder 100 Meter bis zu einer der Tiefgaragen und richtet sein Fahrrad und die Wechselbeutel her. Von daher ist Almere ein Wettkampf, den man auch locker bestreiten könnte, wenn man allein anreist. Auch Bikepark und die Wechselzone sind gleich nebenan und machen den Checkin zum Vergnügen. Dafür bekommt man allerdings auch weniger für seine Startgebühr als anderswo. So war beim obligatorischen Rucksack beispielsweise Fehlanzeige. Für die Nudelparty lag EIN Gutschein bei. Für eine Begleitperson wären 17,50 Euro zu berappen gewesen. Natürlich geht man dann lieber anständig essen, als sich auf Bierbänken zu drängen und zu hoffen, dass die Nudeln nicht zu matschig sind.
Der Bikepark hatte dann auch noch einige Kuriositäten aufzubieten. So waren nicht wenige Athleten ohne Triathlonlenker unterwegs, dazu noch einige Oldtimer mit Schalthebel am Rahmen. Der amüsante Höhepunkt war jedoch ein Carbonrad Marke Eigenbau, bei dem wohl die Zeit gefehlt hatte, die überstehenden Fasern abzuschleifen. Senecas Spruch am Rahmen war eben Programm. Die mehr als abenteuerliche Konstruktion dürfte wohl auch das meist fotografierte Rad gewesen sein.
Race day:
Die Anreise am Morgen war wieder sehr entspannt. Kein Stau, rein in die Tiefgarage und einen der vielen freien Parkplätze angefahren. Dann mit Pumpe und Trinkflaschen die paar Meter zum Rad. Danach nochmal zu den Wechselbeuteln und alles kontrolliert. Welche Luxus, wenn man dann den Neoprenanzug am Auto anziehen kann und es auch Toiletten in einer Anzahl gibt, wo man nicht überlegen muss, ob man es zum Schwimmstart noch rechtzeitig schafft.
Vor uns Agegroupern starteten, mit je drei Minuten Abstand, die Profimänner und -frauen ins Wasser. Anschließend waren wir dran. Hatte ich zuerst noch Angst wegen des Massenstarts, relativierte sich das recht schnell, denn wir waren ja nur 400 Teilnehmer auf der Langdistanz.
Wenig bedrängt ging es in Richtung Westen zur ersten Wendetonne. Die Sicht im Wasser war relativ gut, das Seegrad am Boden gab einem ein Gefühl für das Tempo, reichte aber oft auch mal bis an die Finger ran. Nun folgte ein langes Stück genau nach Osten in die aufgehende Sonne. Im Gegenlicht war nur ein Hochhaus am Ufer und ein Waldstück zu erkennen. Die roten Zwischenbojen waren zwischen den vielen gleichfarbigen Badekappen erst im letzten Moment zu unterscheiden. Eine Orientierung war eigentlich unmöglich, so folgte ich halt möglichst mittig der Meute, die nun auseinanderdrifftete. Als es dann auf die zweite Runde ging, verlor ich die Beine meines Vordermannes und musste die Gruppe abreissen lassen. Schnell wurde der Abstand größer und als ich dann wieder gegen die Sonne schwimmen musste, tat ich mich orientierungsmäßig wirklich schwer. Hinter mir hatte sich nun eine ganze Gruppe gesammelt, die ich bis zum Ausstieg anführte. Gefühlsmäßig war mein Schwimmsplit heute sehr schlecht, doch als die Uhr beim Ausstieg 1:11 anzeigt, war ich doch beruhigt.
Es folgte der recht lange Weg durch den Radpark in Richtung Wechselzone und dann wieder zurück. Knapp 400 Meter zählte meine Uhr vom Schwimmausstieg bis zu Radaufstieg mit. Die ersten Kilometer bis zum Rundkurs und der Weg aus der Stadt waren sehr abenteuerlich. Viele Ecken und Bordsteinkanten waren auf den ersten 20 Kilometern zu meistern. Dazu eine Stichstraße mit Wendepunkt um auf die erfordelichen Gesamtkilometer zu kommen. Ruhiger wurde es als Almere hinter uns lag und es dann auf dem Deich für 30 Km in Richtung Nordost ging. Ein leichter Wind kam aus Süd und schob etwas an. Das Tempo pendelte sich bei 36 ein und langsam fühlten sich meine Beine nun an wie gewohnt. Die ersten Athleten von der Mitteldistanz und einige schnelle Staffelfahrer flogen nun an mir vorbei. Genau bei Kilometer 50 war das Ende des Deichs erreicht und auf eine scharfe Rechtskurve folgte eine schmale Einfahrt in einen Radweg, die viele Fahrer verpassten. Ärgerlich nur, weil direkt danach eine Zeitmessmatte war und es für die Falschfahrer auf dem nächsten halben Kilometer keine Gelegenheit gab, von der rauen Teerstraße auf den besseren Radweg zu kommen. Für 30 Kilometer kam der Wind nun eher von vorne, störte aber nicht sonderlich. Gegen Ende der Runde wurde der Wind aber dann innerhalb einer halben Stunde deutlich stärker. 2:36 zeigte die Uhr für die erste Runde und nun hieß es, in der Coachingzone, eine neue Flasche Malto von Sabine entgegenzunehmen. Das klappte perfekt und auch meiner Weste und Handschuhe konnte ich mich bei der Gelgenheit entledigen.
Die Mitteldistanzler waren nun alle bereits in Richtung Laufstrecke unterwegs und rundum wurde es recht einsam. Wieder am Deich stellte sich heraus, dass der Wind deutlich stärker geworden war, aber nicht direkt von hinten kam. Wie in der ersten Runde fuhr ich im Schnitt um die 36 km/h. Die Schikane am Abzweig meisterte ich wesentlich besser als in Runde eins, doch dafür fuhr ich regelrecht in eine Wand. Der aufgefrischte Wind stand genau auf der Nase und bremste gewaltig ein. Die nächsten Kilometern kurbelte ich vor mich hin und der Blick wechselte mehr und mehr frustriert zwischen Pulsmesser und Tacho. Mein schöner 35er Schnitt sackte ab und selbst die Drei vorne dran konnte ich nicht immer halten. Über eine Stunde strampelte ich so vor mich hin und wurde von kleinen Grüppchen überholt, die es ausnutzten, dass keine Kampfrichter mehr zu sehen waren. Endlich bog die Strecke wieder nach Westen ab und der Wind kam wenigstens nur noch von der Seite. Die letzten fünf Kilometer ging es dann in Richtung Norden und ich nutzte den Rückenwind, um meine Beine auszulockern, was auf den vielen Kilometern vorher gar nicht möglich war. 11 Minuten hatte ich für die zweite Runde länger gebraucht, so war das irgendwie nicht geplant.
Die ersten Schritte nach der Linie waren dann die Hölle, solche Beine hatte ich nach dem Rad weder in Roth, noch in Regensburg. Bis zum Wechselbeutel wurde es langsam wieder und der Schuhwechsel im Sitzen auf einem Stuhl war eine Wohltat. Von den Helfern sah man im Wechselbereich recht wenig. Erwartet hatte ich zumindest Sonnencreme, doch auch hier war Fehlanzeige. Wahrscheinlich bin ich aus Roth und Regensburg einfach zu verwöhnt. Von der Wechselzone führte die Laufstrecke erstmal durch den Zielbereich, bevor es auf die erste der sechs Runden ging. Direkt im Anschluß folgte die Coachingzone, wo ich in jeder Runde von Sabine bestens versorgt wurde. Hier bekam ich alkoholfreies Bier mit Cola und dazu hatte ich kleine Flaschen mit Malto vorbereitet.
Die ersten beiden Runden blieb ich auch an den Verpflegungsstationen nicht stehen und lief ein Tempo um die 5:30. In Runde drei merkte ich langsam, dass mein Magen voll war und ich ihm nichts mehr zumuten konnte. Gleichzeitig brannte ich aber aus und das Tempo ging nach unten. Anfang Runde 5 fühlte ich mich total leer. Da mich schon länger ein kleiner Stein im Schuh störte, nutzte ich das als Grund, um mich eine halbe Minute zu setzen. Wahnsinn, was so eine kurze Pause oft ausmachen kann. An der nächsten Verpflegungsstation gab es dann ein Gel dazu und langsam fing ich mich wieder. Ich weigerte mich eine Gehpause einzulegen, obwohl der Körper danach verlangte. Auf der letzten Runde dann an jeder Kilometermarkierung eine neue Rechnung. Für mein Ziel der Sub 11 durfte ich nicht mehr trödeln und musste jeden Kilometer unter sechs Minuten bleiben. Gleichzeitig rumorte es in meinem Magen, wie ich es aus Roth kenne. Bei Kilometer 39 errechnete ich mir drei Minuten Polster und gönnte mir nochmal einen kurzen Stopp an der Wanne mit den Schwämmen. Es kam der letzte Kilometer. Ich zog langsam an und lief auf eine Frau auf, die von ihrem Mann begleitet wurde. Gerade als ich überholt hatte entleerte sich mein Magen nahezu ohne Vorankündigung. Ich beugte mich am Wegesrand. Der Mann von eben fragte, ob ich Hilfe brauchen würde. Ne ne, nur noch 500 Meter, dass schaffe ich auf jeden Fall. Ich lief wieder an und musste mich schon wieder vorn überbeugen. NEIN! Das darf doch nicht wahr sein. 10:56 zeigte die Uhr. Ich trabte wieder an und es funktionierte. Langsam wurde ich schneller. 300 Meter vor dem Ziel sprang die Uhr auf 10:58. Los jetzt, Endspurt! Ich flog nun regelrecht über den roten Teppich und die Uhr zeigte ein Tempo unter 5 min/km an. Noch zwei Ecken und ich war im Zielkanal. Bei 10:59:09 blieb die Uhr stehen und mein Ziel war erreicht.
Mein Puls ging auf den letzten Metern durch die Decke und natürlich spielte da der Kreislauf dann nicht mehr mit. Ein paar Minuten später plagte mich Schüttelfrost und die Arme schliefen ein. Doch ein Sanitäter gab mir eine Rettungsdecke, steckte mir ein Stück Traubenzucker in den Mund und brachte mich zu seinen Kollegen. Blutdruck und Puls gecheckt und fünf Minuten später war bereits alles wieder gut.
Fazit:
Die Schwimmstrecke passt gut, doch hätte ich mir mehr Bojen zur Orientierung gewünscht. Die flache Radstrecke erwies sich härter als erwartet, die vielen Ecken und der Wind haben doch anständig zugesetzt. Die Laufstrecke macht Spaß und läuft sich angenehm, doch sechs Runden gehen ganz schön ans Gemüt. Sicherlich sind 3 Langdistanzen in 8 Wochen nicht optimal, aber scheinbar hatte ich Roth und Regensburg gut weggesteckt. Zuschauermäßig war die Laufstrecke toll, wobei es zum Ende schon viel ruhiger wurde. Aber das ist eben so, wenn gleichzeitig eine Mitteldistanz stattfindet. Logistisch ist Almere ein Traum. Kurze Wege und wenig Aufwand. Nicht gestimmt hat aber leider das Preis-/ Leistungsverhältnis.