Rennradtraining im Winter – Cyclocross

Das ist mein diesjähriger Beitrag zum Outdoor-Adventskalender. Eine Übersicht der restlichen Beiträge gibt es hier. outdooradevnt-logo16

Als Rennradfahrer steht man jeden Winter vor dem gleichen Problem. Wie konserviere ich meine Form, damit ich im Frühjahr nicht wieder bei Null anfange?

Möglichkeit 1: Spinningstunden im Fitnessstudio
Haben mir noch nie zugesagt. Erstens war mein Pedalsystem noch nie kompatibel, zweitens passen Sitzposition, Kurbelbreite und Sattel nie richtig. Drittens geht mir das aufgesetzte Motivationsgehabe der Trainer auf den Senkel, denn ich möchte beim Training eher meine Ruhe.

Möglichkeit 2: Das eigene Spinningbike für zu Hause
Habe ich jahrelang mehr oder weniger engagiert praktiziert. Mein mittelprächtiges Ketteler hab ich mit eigenem Sattel und Pedalsystem gepimpt und die Sitzposition bestmöglichst ans Rennrad angepasst. Trotzdem fühlt man sich nicht so wohl wie auf dem richtigen Rad. Die Kurbelbreite ist bauartbedingt weiter und das Teil bewegt sich einfach kein bisschen zur Seite. Letztendlich schmerzt das Hinterteil bereits nach einer Stunde wie nach drei Stunden im Freien. Und schließlich muss man sich noch die Zeit vertreiben. Das ganze Jahr sammelte ich daher immer Dokus und Filme zusammen, die ich dann beim Kurbeln anschaute. Trotzdem konnte ich mich immer maximal zu zwei Stunden aufraffen.

Möglichkeit 3: Rollentrainer / Zwift
Mit eigenem Rad auf einem Rollentrainer fühlt sich das Ganze schon besser an. Zwar ist die Lautstärke höher und die Mitbewohner müssen mitunter leidensfähig sein, doch fühlt man sich schon wesentlich wohler als auf dem starren Spinningbike. Motivationsmäßig fiel man bisher aber auch leicht in ein Loch. Doch seit einem Jahr gibt es nun Zwift. Zusammen mit „smarten“ geregelten Trainern fährt man nun durch eine der (derzeit drei) verschiedenen virtuellen Landschaften. Wie beim einem Multiplayer-Computerspiel, was es letztendlich ja ist, trifft man auf andere Spieler (Fahrer), die auch auf den Straßen unterwegs sind. Geht es berauf, wird der Widerstand der Rolle größer, geht es bergab oder man fährt Windschatten, wird es leichter. Unterwegs gibt es dazu noch Sprint- und Bergwertungen.

Zwift Screenshot

Für jeden gefahrenen Kilometer gibt es Punkte und bei jedem „Level up“ eine Belohnung in Form eines Radtrikots, eines besseren Bikes oder Laufradsatzes. Dazu gibt es Gruppenfahrten und -rennen, an denen sich nicht selten über 100 Fahrer beteiligen. Während ich anfangs die Kollegen noch belächelt hatte, als sie von Zwift erzählten, muss ich mittlerweile zugeben, dass Zwift das Indoortraining wirklich auf eine neue Stufe gehoben hat und derzeit die Referenz ist. Das Ganze hat so eingeschlagen, dass man sich derzeit jeden Abend mit über 1000 anderen Fahrern messen kann. Zu Zwift kommt demnächst übrigens auch noch ein extra Artikel.

Möglichkeit 4: Winterrad, MTB oder Crosser
Nun muss ich zugeben, dass ich auch lieber bei schönem Wetter fahre und in meinem gesetzten Alter auch mal Rücksicht auf die Gesundheit nehme, wenn es draussen zu sehr regnet. Gleichwohl versuche ich immer, mich an Regel #9 zu orientieren, denn

The only good thing about winter and spring training is the fact that simply climbing on the machine that day means you are an automatic badass. Hell, you don’t even have to ride hard, just being out means you’re awesome.

Bleibt man mit dem Winterrad auf der Straße, so hat man den Vorteil, dass man ordentliche Schutzbleche montieren kann, wenngleich das ästhetische Empfinden dann ordentlich leidet. Geht man ins Gelände, um den Autofahrern zu entgehen, so kommt man an einem MTB oder Crosser nicht vorbei. Ich persönlich konnte mich Zeit meines Lebens nie so recht mit Mountainbikes anfreunden und sympathisierte immer eher mit einem Crosser. Zum Kauf konnte ich mich trotzdem lange nicht überwinden. Doch seit Triathlon wieder mehr ins Zentrum gerückt ist, war eigentlich klar, dass es diesen Herbst soweit sein würde.

marlan-bikes Crossbike Gravel bike

Der offensichtlichste Unterschied vom Crossbike (neudeutsch: Gravel-Bike) zum Rennrad ist die Reifenbreite. Während man am Rennrad meist Reifen mit 23 oder 25 mm verwendet, kommen beim Crossbike 35 mm zum Einsatz und entsprechend weiter werden auch die Rahmen gebaut. Das ist auch der Grund, warum man normale Rennräder nicht zum Crosser umbauen kann: die Laufräder passen schlicht nicht mehr in den Rahmen. Am Crosser werden dazu noch robustere Bremsen (früher Cantilever, heute Scheiben) verbaut, die auch mit viel Schmutz klarkommen. Und letztendlich fährt man auch eine kürzere Übersetzung. Den umgekehrten Weg kann man übrigens eher gehen. Ein zweiter Laufradsatz mit Straßenreifen macht den Crosser zum fast vollwertigen Roadbike.

Da ich keine Ambitionen für Crossrennen verspüre, standen weniger Gewicht, als vielmehr Zuverlässigkeit und wartungsarme Technik im Vordergrund. Nach meinen Vorgaben baute mir mein Bruder dann einen Crosser auf, wie ich ihn mir wünschte. Lang hab ich überlegt, ob ich mit einer Einfachkurbel auskomme und ich muss sagen, dass das die beste Entscheidung war, die ich hatte treffen können. Egal wie man schaltet, es ist halt kein Umwerfer im Weg, an dem die Kette angehen könnte. Die SRAM Rival 1×11 fahre ich nun vorne mit 42 Zähnen und hinten mit 11/32. Zugegeben – im mittlerern Bereich fehlte mir anfangs ein Ritzel, aber die Umgewöhnung dauerte nicht einmal zwei Fahrten. Und auch sonst ist die Entfaltung in beide Richtungen mehr als ausreichend. Positiv überrascht war ich auch, wie der 35 mm Continental X-King hält. Sicher, auf technischen Downhills sind mir die MTB-Spezialisten im Vorteil, doch auf normalen Forstwegen könnte ich mir nichts Schöneres unterm Hintern vorstellen.

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Video-Link: https://vimeo.com/193345072

Kleidung
Fährt man mit dem Crossbike auf der Straße, ist dort die Durchschnittsgeschwindigkeit aufgrund der Stollenbereifung schon deutlich langsamer als man es vom Rennrad gewohnt ist. Im Gelände wird man noch mehr eingebremst. Folglich friert man bei weitem nicht so leicht und kann auf die eine oder andere Schicht verzichten. Wichtig nur Windstoppereinsätze auf der vorderen Seite und eine gute Belüftung am Rücken. Kalt wird es nämlich nur, wenn man zu sehr schwitzt und die Feuchtigkeit anschließend auskühlt. Gute Hand- und Überschuhe sind zudem Pflicht. Bewährt hat sich auch eine batteriebetriebene Schuhheizung wie man sie vom Skifahren her kennt. Plant man dann seine Runde so, dass man, zumindest auf der ersten Hälfte, zu ausgiebiges Schwitzen vermeidet, ist eine Fahrzeit von drei bis vier Stunden problemlos möglich.

Beleuchtung
Bedingt durch das kürzere Tageslicht, finden viele Trainingsfahrten bei Dunkelheit statt. Sehen und gesehen werden ist daher extrem wichtig. Für die passive Sicherheit habe ich meinen Rahmen an einigen Stellen mit Reflektorfolie beklebt, die tagsüber kaum zu sehen ist, aber richtig auffällt, sobald sie bei Dunkelheit angestrahlt wird.

Reflektorfolie am Crossbike

Dazu fahre ich immer mit einer Reflektorweste und habe ein Batterierücklicht von Sigma mit StVZO montiert. Um selbst zu sehen verwende ich eine Ixon IQ Premium von busch + müller (auch mit StVZO-Zulassung), die ich nur bedingt empfehlen kann. Zwar ist die Lichtausbeute gut, doch die Verarbeitung eher nicht Premiumklasse. Schotter- und Feldwege bei mittlerer Geschwindigkeit lassen sich damit gut meistern. Wird es dann schneller oder der Untergrund uneben, schalte ich eine zusätzliche Led Lenser H14 ein, die ich mit Kabelbinder fest am Helm montiert habe. Stirnlampen haben auch den überragenden Vorteil, dass sie dort hinstrahlen, wo man hinsieht. Diese Kombination hat sich bestens bewährt und ich kann sie nur empfehlen. Als Energiequelle verwende ich wie immer eneloop-Akkus.

scheinwerfer ruecklicht radhelm

Das Ganze sieht dann in Aktion so aus:

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Video-Link: https://vimeo.com/193614716

Fahrradpflege
Nach dem Training schaut das Rad dann meist ziemlich übel aus. Ich spritze den groben Dreck mit dem Gartenschlauch ab. Großer Druck ist dabei zu vermeiden, um nicht die Lager auszuwaschen. Deshalb rate ich auch unbedingt vom Einsatz eines Hochdruckreinigers oder Dampfstrahler ab.

marlan bikes crossbike

Wenn dann das Rad ein wenig trocken ist, wische ich die Kette noch kurz mt einem alten Lappen ab und öle sie dann wieder. So kommt man gut durch den Winter, bis irgendwann eine Generalreinigung ansteht.

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8 Antworten

  1. Jan sagt:

    Schöne Zusammenfassung des Wintersports auf dem Fahrrad, bei der ich jeden einzelnen Satz unterschreiben könnte.

  2. Ahoi,

    schöne Zusammenfassung. Nr. 4 stimme ich absolut zu!

    :o)

    Einen kleinen Einwand habe ich aber:
    Crosser ≠ Gravel

    Ride on,
    Bernd

    • Tom sagt:

      Sicherlich gibt es gewisse feine Unterschiede, doch wahrscheinlich kann nur der Kenner wirklich die Unterschiede erkennen, wenn zwei Räder nebeneinander stehen. Letztendlich ist es wohl eher eine neue Marketinggeburt um ein neues Segment zu erschließen.

      • Die Übergänge sind fließend, aber ein auf Leistung getrimmter Crosser fährt sich auf Langstrecke nicht ganz so angenehm wie ein erklärtes Gravelbike. Das ist zumindest mein Eindruck. Aber Du hast recht, man muss schon genau hinschauen und letztlich ists auch völlig wurscht, so lange nix zwickt und man sich nicht eingeschränkt fühlt. Ich bin auch mit meinem Renner Schotterstrecken gefahren, bevor ich wusste das man das nicht ‚darf‘. :o)

  3. Lutz Formowitz sagt:

    Hallo,
    schöner Beitrag zum Thema Cyclocross. Habe letzten Herbst nach kurzem Versuch mit günstig RR und 28 mm Bereifung durch den Winter zu fahren spontan zugeschlagen.
    Noch vor 2-3 Jahren undenkbar. Es wurde ein Colnago A1r-CX. Bereue den Kauf in keinster Weise und kann so einen Crosser nur weiter empfehlen. Mit der 32 mm Bereifung kann man auch mal Waldwege befahren, was mit dem RR unmöglich wäre. Habe jetzt mal 28 mm Schwalbe Durano DD aufgezogen, womit man nun auch mit weniger Anstrengung länger auf Asphalt fahren kann. Scheibenbremsen funktionieren Super und zur Not kann man auch richtige Schutzbleche anbauen. Angenehmer Nebeneffekt des Ganzen: Der eigene Renner wird geschont bis der Frühling da ist, die Form wird auf einem hohen Level gehalten und ich putze den Alu- Cyclocrosser nicht akribisch nach jeder Ausfahrt.
    Einziger Kritikpunkt bisher die Wölbung der FSA-Kurbelarme, die breiteren Winterschuhen- bei mir Diadora- im Weg ist und für Schleifspuren sorgt. Mit normalen RR-Schuhen gehts, aber Überschuhe schleifen auch schon wieder. Pedalplatten verstellen brachte dann Knieschmerzen…Werde wohl für nächsten Winter entweder gerade Kurbelarme anbauen oder gleich auf SRAM 1x 11 mit hydr. Bremsen wechseln. Gruß, Lutz

    • Tom sagt:

      Der Colnago ist natürlich schon ein feines Stück. Als ich zum ersten Mal mit Überschuhen gefahren war, hab ich anschließend auch die Cleats ein wenig anders geschraubt, damit nichts an der Kurbel angeht. Bei mir hats problemlos hingehauen.

      Ich bin derzeit sogar am überlegen, ob ich mir nicht einen zweiten Laufradsatz für den Crosser zulege um damit nach Italien ins Trainingslager zu fahren. So könnte ich dann auch mal abseits der Straße meine Runden drehen.

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