Trainingssteuerung und Leistungsdiagnostik
Immer wieder werde ich mal gefragt, wieviel ich so trainiere und vor allem wie ich mein Training gestalte. Ich muss dann immer sagen, dass ich nicht nach Plan trainiere und manchmal werde ich recht verwundert angeschaut. Ich weiß, dass ich mit systematischeren Training sicher besser sein würde, doch ist Laufen bzw. Triathlon für mich ein Hobby und nicht mein einziger Lebensinhalt. Wenn ich mal keine Lust habe, dann mache ich nichts und wenn das Wetter richtig schlecht ist, dann suche ich mir auch eine Alternative. Schwimmen geht beispielsweise bei mir im Winter gegen Null. Für stark gechlortes Hallenbadwasser konnte ich mich noch nie begeistern und ein 25 Meter Becken spuckt mich spätestens nach 1000 Meter wieder aus. So starte ich die Schwimmsaison meist am 1. Mai mit roundabout 5 km in den Armen. Zu diesem Zeitpunkt macht unser Freibad auf und der See bekommt langsam Temperatur. Dass ich damit im Wettkampf nicht an eine Stunde ranschwimmen kann, ist mir auch klar.
Gleichwohl betreibe ich seit mittlerweile 30 Jahren Leistungssport und weiß, auf welche Trainingsreize es ankommt. Ich weiß, wann ich mal ranklotzen muss und wann Pausen nötig sind. Auch gibt es bestimmte Trainingseinheiten, die brauche ich für den Kopf, obwohl sie nicht so viel Sinn machen. Ein oder zwei Wochen vor einer Langdistanz schwimme ich grundsätzlich mal zügig 3800 Meter im Becken mit Neo. Genauso fahre ich öfter mal 200 km als Vorbereitung, was aus Trainingssicht eigentlich auch nicht viel bringt, aber doch sehr beruhigt.
Leistungsdiagnostik?
Was ich aber Jahr für Jahr mache, ist eine Leistungsdiagnostik bzw. Ergospiriometrie. Dazu fahre ich zu meinem langjährigen Freund Matthias vom Professional Endurance Team in Hilpoltstein, den ich vor über 20 Jahren auf Lanzarote kennengelernt habe. Beide finishten wir in diesem Jahr unsere erste Langdistanz. Matthias war dreimal in Kona am Start, ist heute einer der beiden Hauptorganisatoren vom Rothsee-Triathlon-Festival und führt das Trainingscamp der Challenge Roth auf Fuerteventura durch. Wer also einen kompetenten Trainer sucht, der ist bei ihm sicher gut aufgehoben.
Bei einer Leistungdiagnostik werden Laktatschwellen, Herzfrequenzen und Sauerstoffaufnahme mittels Stufentest gemessen. Das Ganze findet auf einem Laufband oder Ergometer statt. Es geht bei niedriger Intensität los und alle 5 Minuten wird Geschwindgkeit bzw. Wattzahl erhöht. Dabei wird permanent Herzfrequenz, Sauerstoffaufnahme und Kohlendioxydabgabe gemessen. Gegen Ende jeder Stufe wird zusätzlich Blut genommen um den Laktatwert zu ermitteln. Der Test endet, wenn man am Anschlag ist und regelrecht aus den Latschen kippt. Das Ganze kann man auch als kombinierten Test machen. Man fährt auf dem Rad bis zur Laktatschwelle, bricht dann ab und macht ca. 30 Minuten Pause. Danach folgt einer kompletter Test auf dem Laufband. Triathleten erfahren da nochmal mehr.
Laktatwerte
Das Protokoll zu einem Test hat dann 15 Seiten oder mehr. Diese Grafik ist ein kleiner Auszug, der drei Tests der letzten Jahr komprimiert vergleicht. Die untere Reihe gibt die Testergebnisse aus dem Jahr 2013 wieder, als ich mir nach längerer Pause mit dem Swiss Irontrail wieder ein größeres Ziel vorgenommen hatte. Ich hatte von meinen 90 kg Lebenshöchstgewicht im Winter immerhin schon wieder auf 85 kg abgespeckt. Die mittlerere Reihe stammt aus diesem Winter und der obere Test war knapp 3 Wochen vor Roth. Deutlich sieht man die Unterschiede. Der Wert ANS (anaerobe Schwelle; Laktat: 4,0) ist ungefähr das Tempo, das ich einen 10er oder Halbmarathon durchlaufen kann. Von 4:30 min/km vor 5 Jahren hab ich mich da also auf 3:55 min/km verbessert. Letzteres geht dann langsam wieder in Richtung meiner früheren Marathonbestzeit von 2:46:43. Beim abschließenden Marathon in Roth hielt ich dieses Jahr meine Pulsmesser streng im Blick und bin mit den 135 Schlägen aus dem Test sehr gut gefahren.
Laktatwerte und die Geschwindigkeit über kürzere Strecken sind das Eine. Geht ein Wettkampf über mehrere Stunden, kommt der Faktor Energiezufuhr immer mehr ins Spiel. Einen Halbmarathon laufe ich grundsätzlich ohne Nahrungszufuhr. Bestenfalls trinke ich bei großer Hitze mal einen Schluck Wasser. Geht es in Richtung Marathon, dann schaut das Ganze anders aus. Die gespeicherten Kohlenhydrate (KH) im Körper gehen irgendwann zu Ende, was man dann als den „Mann mit dem Hammer“ kennt.
Fettstoffwechsel
Was in meinen Tests seit Jahren immer auffiel, war mein schlechter Fettstoffwechsel. Auf der folgenden Grafik ist zu erkennen, dass ich bei 12 km/h (was zu dem Zeitpunkt ungefähr meinem Marathontempo bei einer Langdistanz entspricht) zu rund 85 % mit KH laufe und sich mein Körper nur zu 15 % an den gigantischen Fettreserven bedient. Diese Werte sind für meine Verhältnisse übrigens schon gut, die letzten Jahre hats da noch schlechter ausgeschaut. Werden meine KH-Speicher leer, weil ich mich am Rad mit der Ernährung geschludert habe, dann kommt beim Lauf unweigerlich der Punkt, wo innerhalb kürzester Zeit der Ofen aus ist. Das heisst dann meist Notfalltempo 5:30-6:00 min/km.
Nun gibt es Sportler, die sind wohl von Haus aus eher Kohlenhydratverwerter als andere. In meiner Jugend wurde Fett in der Ernährungslehre als reines Teufelszeug behandelt. Dementsprechend habe ich immer versucht, eher Kohlenhydrate (KH) zu essen. Und wer kennt dann nicht den Spruch „Man ißt früh wie ein König, Mittag wie ein Kaiser und Abend wie ein Bettler“. Dazu als Zwischenmahlzeiten immer wieder einen Apfel oder anderes Obst. Heute weiß man, dass die Empfehlungen von damals Blödsinn sind, aber bei mir wurde da wohl der Grundstein für etwas gelegt, gegen das ich heute kämpfen muss. Mein Körper war immer gewöhnt, dass reichlich KH vorhanden sind und fordert sie entsprechend.
Wer viel KH verbrennt, der muss natürlich auch viel zuführen. Als Faustregel gilt, dass man ca. 1 Gramm KH pro Kilo Körpergewicht und Stunde aufnehmen kann, wenn man seine Verdauung nicht anderweitig schon überfordert hat (2016 in Roth habe ich da mein Waterloo erlebt). Im Wettkampf kommt auf jeden Fall zwangsläufig irgendwann der Punkt, wo die Speicher leer sind und die zugeführte Energie nicht mehr reicht. Fettstoffwechseltraining ist also angesagt.
Grundlagentraining
Das findet meist in Form von langen Grundlagenfahrten oder -läufen statt. Da für die Fettverbrennung viel mehr Sauerstoff benötigt wird, als für die KH-Verbrennung, muss Grundlagentraining auch wirklich im niedrigen Intensitätsbereich (GA1) durchgeführt werden. Laienhaft ausgedrückt: Bei niedrigem Puls bietet man dem Körper viel Sauerstoff an und er verbrennt mehr Fett, um sich die KH für den Notfall zu sparen. Geht die Intensität nach oben, werden wieder mehr KH verbrannt. Gruppenausfahrten, die dann regelmäßig spätestens am dritten Berg in ein Rennen ausarten meide ich daher eher. Mein Ziel ist einfach, 90 oder 180 km möglichst gleichmäßig und effektiv zu fahren, um dann noch einen anständigen Lauf abliefern zu können.
Ernährung
Da ich hier die letzten Jahre nicht den Forschritt gemacht habe, den ich mir erhoffte, setzte ich vor einem Jahr bei der Ernährung an. Was habe ich vorher falsch gemacht? Im Büro trinke ich schon immer regelmäßig Kaffee. Natürlich immer mit ein wenig Zucker. Im benachbarten Großraumbüro steht eine Naschbox, wo ich mir oft mal im Vorbeigehen ein oder zwei Gummibärchen rausfischte. Alles Dinge, die den Blutzuckerwert ansteigen lassen und den Fettstoffwechsel bremsen oder blockieren. Auf Zucker im Kaffee verzichte ich nun ganz und genascht wird nur noch zusammen mit einer richtigen Mahlzeit. Zwischen den Mahlzeiten halte ich nun meist Pausen von 4-5 Stunden ein. Ein typischer Fehler war auch mein Lauf am Sonntagmorgen. 8:30 Uhr Wecker, aufstehen, schnell noch einen Riegel und ab zum Lauftreff. Gegessen wird jetzt immer erst nach dem Sport, bzw. bei langen Einheiten nehm ich mir was mit. Gestartet wird jede Grundlageneinheit nun auf jeden Fall möglichst nüchtern. Wie sehr ich diese kleinen Veränderungen schon nach kurzer Zeit gemerkt habe, hat mich dann übrigens selbst überrascht.
Versucht habe ich noch eine Weile 16/8 Ernährung, was anfangs auch recht gut ging. Ich aß gegen 20 Uhr zum letzten Mal und hab dann einfach das Frühstück ausfallen lassen. Das funktioniert bei mir gut, solange die Tage nicht zu lang sind. Im Sommer war ich irgendwann an dem Punkt, wo es mich zu sehr genervt hat. Denn ist es lang hell, man kommt auch mal erst um 21 Uhr vom Training heim und braucht dann noch was, um die Speicher wieder aufzufüllen.
Zu welchem Zeitpunkt macht man so eine Leistungsdiagnostik?
Am meisten Sinn macht die Diagnostik sicher im Frühjar, bevor man ins Trainingslager fährt. Denn hier wird der Grundstein für die Saison gelegt. Ich für meinen Teil mache den Test auch gern im Januar, weil ich meist Ende Januar den ersten größeren Laufwettkampf bestreite und einfach wissen möchte, wie schnell, bzw. welcher Herzfrequenz ich den laufen soll. Mit den Vorgaben daraus bin ich immer gut gefahren.