Wenn Träume platzen: Challenge Roth 2022

Es gibt Tage, da läuft es und es gibt Tage, da läuft es nicht. Seit Dezember hatte ich mich auf diesen einen Tag vorbereitet. Mit Matthias Fritsch hab ich mir einen Trainer engagiert, der wirklich Erfahrung hat und weiß, was er macht. Die Trainingswerte waren gut wie seit langer Zeit nicht. Die Mitteldistanz in St. Pölten Ende Mai lief fast optimal. Der abschließende FTP-Test letzte Woche mit 293 Watt so hoch, wie wahrscheinlich noch nie. Und trotzdem ging es voll in die Hose. Und auch wenn ich in meinem Leben schon manchen sportlichen Niederschlag hatte, es tut auch Tage später noch gewaltig weh. Mittlerweile habe ich (hoffentlich) die Erklärung. Vier Wochen vor Roth hatte ich einen Zeckenbiss. Eine Woche später dann Wanderröte und die typischen Anzeichen für eine Borreliose. Also bis eine Woche vor dem Wettkampf noch eine Antibiotikakur. 14 Tage merkte ich rein gar keine Beeinträchtigung durch das Medikament. Ich habe normal trainiert und ordentliche Trainingsleistungen abgeliefert. Aber wahrscheinlich hats den Körper doch mehr geschlaucht als gedacht.

Das Rundum in Roth war wie früher. Alle waren heiß, endlich wieder die große Triathlonparty feiern zu können. Leider gab es die gemeinsame Pastaparty am Freitag nicht. Dafür Gutscheine für den Foodcourt. Ob man damit den Umsatz der Stände ankurbeln oder den organisatorischen Aufwand minimieren wollte, kann ich nicht sagen. Vielleicht war es auch wirklich Corona geschuldet. Auf jeden Fall war es schon ein ziemlicher Verlust für die Athleten. Ansonsten gabs aber wirklich nichts zu meckern. Auf der Expo der übliche Wahn und wir machten auch ein paar Schuh-Schnäppchen. Mit den Startunterlagen ging es dann zur Campingwiese neben dem Schwimmstart, wo Karina dann auch ihre Staffelkollegen kennenlernen durfte. Sie war über die Staffelbörse in ein hessisches Team gekommen. Mit denen fuhren wir dann auch nochmal zur Bayern 3 Party nach Roth.

Samstag dann Rad-Checkin und nochmal Schnäppchen shoppen (diesmal bei Fritz Buchstaller in HIP). Kaffee bei Matthias, nochmal Expo, Pizza und dann aber früh ins Bett.

Um fünf gab es das obligatorische Frühstücks-Malto, halbsechs ging ich zum ersten Mal zum Start, kontrollierte das Rad und schlappte wieder zum Auto. Toilette und 45 Minuten vor meinem Start um 7:05 Uhr dann wieder los, alles easy. Ein wenig rumblödeln mit anderen und 6:50 Uhr dann in den Neo.

Ach du Kacke – mein Chip liegt im Auto. Aber Roth wäre nicht Roth, wenn man nicht innerhalb 5 Minuten Ersatz hätte. Just in time ging es dann in den Vorstartbereich. Rein ins Wasser, Kanone und ab. Die ersten 200 Meter ein Hauen und Stechen, wie man es sonst nur vom Sprint kennt. Dann wurde es besser. An der ersten Wende entdeckte ich Karina, die nun am Ufer mitwanderte.

Später las ich dann in der Whatsapp-Gruppe „Gott sei Dank ist sein Schwimmstil so furchtbar, wie sein Laufstil. Da hat man es leicht mit dem entdecken“ Hat also alles was Gutes. Aus dem Wasser kam ich wie geplant. Nach 1:19 h saß ich auf dem Rad.

Bis Eckersmühlen sortieren und bis Heideck noch ruhig angehen. Danach standen 235 Watt am Plan. Bei einem FTP von 293 Watt auf jeden Fall nicht zu viel. Leicht ging es aber hier schon nicht. Bis Greding dann große Gruppen und immer wieder rausnehmen, um nicht mit Wettkampfrichter in Konflikt zu kommen. Am Kalvarienberg löste sich das dann in Wohlgefallen auf.

Dort muss ich mich normal zurückhalten, um nicht zu überziehen. Heute war es kein Problem, ich konnte eh nicht mehr treten. Bis HIP lief es dann noch halbwegs anständig, aber ich merkte, es war einfach nichts da. Am Solarer Berg tobte wie immer der Bär. Warum treibt es mir eigentlich immer Wasser in die Augen, wenn ich unten ums Eck fahre? Oben nahm ich dann eine Flasche Konzentrat von Karina entgegen. Ende Runde 1 hatte ich genau 2:29 h. Nochmal so eine Runde, dann würde es schon noch passen, aber eigentlich bin ich am Ende. Wattwerte von 170-180 waren nun ständig vor meinen Augen. Machst Du hier Grundlagentraining oder was ist los? Sollte das Malto aus dem neuen Eimer nichts taugen und ich bin einfach leer? Vor Greding dann also ein Gel und Iso von der Verpflegungsstelle. Keine Änderung, dafür ein komischer Magen.

Ich wurde langsamer und sah viele Sportler, die ich anfangs überholt hatte, ein zweites Mal. 5:25 h auf dem Rad, bzw. nach 6:43 h in T2. Vielleicht wirds ja beim laufen besser?

Meine angepeilten Sub10 hatte bereits abgehakt, noch dazu, weil ich nur in einem knappen 5er Schnitt lostrabte. Bis zur Schleuse in Eckersmühle zum Glück viel Schatten. Nach 8 km die erste Wende und jetzt lange in die andere Richtung. Doch aussteigen? Ne, ins Ziel gehts schon. Oder? Irgendwas mit 10 Stunden ist doch auch ok. Ab der Lände dann viel Sonne und da es dieses Jahr keine Schwämme gab, musste ich an jeder VP anhalten, um zu kühlen. Mittlerweile waren wir bei 30 Grad und so mancher ging hoch. Shit, wo ist meine Sonnenbrille? Die hatte ich doch gerade noch! Ah, die muss in der Tonne liegen, wo mich der Typ vorhin abgeduscht hat. Mist. Endlich die zweite Wende und Kilometersplits von über 6 Minuten. Am Rückweg, dann Brille suchen. Als ich den verdutzten Helfer fragte, ob er mir meine Sonnenbrille wiedegeben könne, nur ein ratloser Blick. „Diese Triathleten spinnen doch alle“ muss er sich gedacht haben. Ich so: „Guck mal in Deine Tonne“ und dann schallendes Gelächter nebenan. Weiter am Kanal in sengender Sonne. Und wenn ich in Roth doch aufhöre? Immer wieder dachte ich an mein Motto „Things can always get worse, but only quitters quit!

Ab und zu traf ich bekannte Gesichter, denen ich vorjammerte, aber dann auch versicherte „Keine Angst, ich komm schon ins Ziel“ Gleichzeitig schoss es mir durch den Kopf: Bist du dir da sicher? Nimms Maul lieber nicht so voll. Wenigstens lief ich alles und musste zwischen den VPs nicht gehen. Mit Techno ging es die Rampe nach dem Rothgrund hoch. Vorm Altenheim ein paar Meter weiter Reinhard Meys „Über den Wolken“. Wieder 100 Meter weiter beim Griechen dann Helene Fischer. Also Zwischenspurt und nichts wie weg – heute bleibt Dir echt nichts erspart.

Durch die Altstadt und dann wartet er, der Berg vor Büchenbach. Seit 30 Kilometern bewege ich mich nur im Notlaufmodus, doch die Blöße gebe ich mir nicht, dass ich da raufwandere. „Only quitters quit, only quitters quit, only quitters quit“. Komischerweise werde ich nicht mal sooo langsam – korrigiere: „nicht noch langsamer“ muss es heißen. Dann in Büchenbach einmal um den Dorfweiher und wieder zurück. Bei manchen Trailläufen würden jetzt hier Schilder stehen, wo so intelligente Dinge zu lesen wären, wie „Aufgeben wäre jetzt auch doof“ – only quitters quit, only quitters quit.

Das Fiese an Bergen in Kombination mit kaputten Beinen ist, dass man sie bergab auch nicht mehr besser laufen kann, als bergauf. So trabten wir gemächlich hinunter, während ab und zu ein Staffelläufer vorbeischoss. Unterführung, Sportplatz, Eisdiele und nochmal dieses unsägliche Pflaster in der Innenstatt. KM 41 ist erreicht. Only quitters quit – hat hier heute jemals wer ans aufgeben gedacht? Ich doch nicht. Statt Helene Fischer beim Griechen jetzt Sirtaki in der Diskoversion. Alder, da hast Du fei grad noch die Kurve gekriegt! Die letzten Meter, lachen fürs Zielfoto, Zieleinlauf, Medaille um den Hals. Über 11 Stunden – weg hier.

Wo ist ein Eck, wo ich mich zum schämen hinstellen kann? Und warum zefix gibts in Roth immer nur Erdinger in der ersten Zielverpflegung? Alle anderen Getränke erst im vollen Verpflegungszelt nachdem man sich in der Schlange vom Essen eingereiht hat. Ich muss doch nochmal motzen. Nach längerem sitzen und einer Dusche konnte ich dann was essen. Mittlerweile kam Vereinskollege Roland ins Ziel. Zusammen philosophierten wir die großen Lebensthemen. Was macht man mit den Blasen an den Zehen, welcher Weg zum Nudelstand ist kürzer oder wie lange läuft eine Infusion bis man sie im Körper hat?

Dann kam Karina. Auf den letzten Meter begleitete sie ihr Radfahrer Hendrik. Auch ihr hatte die Hitze natürlich zugesetzt. Nach ihrer längeren Corona-Durststrecke (Long-Covid heisst das wohl neudeutsch), hatte sie ohne lange Vorbereitungsläufe einen tollen Marathon in 3:14 h abgeliefert. Und wer in Roth schon mal Staffel gelaufen ist, der weiß, wie wenig spaßig es ist, zu supporten und dann ewig in der überhitzten Wechselzone zu warten, bis man endlich los darf. Hut ab!

Später kippte auf unserer Bierbank noch ein anderer Athlet um. Bevor er kolabierte lief ich zu den Sanis. „Wir sind leider total voll, ich schick jemand mit einer Trage vorbei, sobald es geht“. Also noch ein wenig Händchen gehalten und Cola eingeflößt. Als er endlich versorgt war, machten wir uns vom Acker, denn es wurde bereits dunkel. Checkout und Shuttlebus wie immer bestens organisiert. Hier sieht man an den begeisterten und überraschten Gesichtern der Athleten übrigens recht gut, wer zum ersten Mal in Roth ist. Diesen perfekten Service findet man sonst nirgends.

10 Sekunden nachdem ich im Caddy lag, war ich bewusstlos. Am Morgen einpacken und noch Adrian Manz aus dem Nachbarverein auf der Campingwiese besuchen. Der hatte bei seiner Langdistanzpremiere richtig einen rausgehauen. Mit 9:20 wurde er auf Anhieb Zweiter in der AK. Nochmal herzlichen Glückwunsch! Um gar nicht in Versuchung zu kommen, sich fürs nächste Jahr wieder anzumelden, fuhren wir nach einen Seelentrösterkaffee bei Matthias, direkt nach Hause.

Fazit: Ja, es ist vielleicht Jammern auf hohem Niveau. Ja, ich kann stolz sein, es trotzdem geschafft zu haben. Ja, andere waren 15 Stunden unterwegs oder sind nach 10 Metern auf dem Rad schwer gestürzt und mussten aufgeben. Aber trotzdem: Sieben Monate Vorbereitung auf diesen einen Tag und dann bist du meilenweit von deinem Ziel entfernt – das tut trotzdem weh, verdammt weh. Aber das ist Triathlon. In diesem Sinne: Things can always get worse, but only quitters quit!

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